Freitag, 2. August 2013

Warum habt ihr eigentlich ein Schweinchen??!

Liebe BlogleserInnen,

immer wieder werden wir gefragt, wie wir eigentlich darauf gekommen sind ein Schwein bei uns einziehen zu lassen. Hierzu muss ich ein bisschen ausholen. Vor ca. 10-12 Jahren kam leider der "Trend" auf Minischweine zu halten. Damals lebte ich noch auf dem Land, wir hatten genug Platz und ich mit meinem jugendlichen Leichtsinn wollte natürlich auch ein Schweinchen haben. Glücklicherweise erlaubten meine Eltern es damals nicht, denn wie es bei Jugendlichen oft der Fall ist, interessieren sie sich 4 Wochen später für ganz andere Dinge.

Da wir schon immer gern mit Tieren zusammenlebten, wollten wir letztes Jahr wenigstens Zwergkaninchen bei uns einziehen lassen. Zunächst haben wir im Tierheim nachgeschaut, doch hier sind wir leider nicht fündig geworden. Dann hat mir eine Bekannte erzählt, dass ihr Onkel Hasen verkaufe und wir sollten uns doch dort mal umschauen. Als wir dort ankamen, waren wir erstmal von dem vielen Platz begeistert, den die Tiere hatten. Schnell wurde mir aber klar, dass es hier wie immer nur darum ging sämtliche Tierarten möglichst schnell zu vermehren und unter die Leute zu bringen. Neben Kaninichen fand man dort auch Meerschweinchen, Frettchen, Hühner, usw. Und eben auch Schweine. 

Die Kleintiere waren mit den Schweinen in einem Stall und so sahen wir dann all die Mini-Mütter in ihren Boxen, wie sie sich schützend vor ihre Ferkel stellten, weil sie sie wussten, dass wieder eines ihrer Kinder weggenommen werden soll. In der vorletzten Box stand dann ein kleines Ferkelchen, das sehr verloren wirkte. Bei ihm waren zwar seine Mutter und noch zwei Geschwister, aber da er der kleinste und schwächste im Wurf war, wurde er auch entsprechend behandelt. Er hatte überall Kratzer im Gesicht, da die größeren und stärkeren Geschwister sich beim Säugen natürlich "vordrängelten" und Henry dabei mit ihren Afterklauen(die spitzen, hinteren Klauen am Schweinefuß) verletzten. Während in der "Minischweinzucht"(wobei es keine reinen Rassen, sondern eher "Zuchtlinien" gibt) die Kleinsten und Schwächsten gerne als Zuchteber selektiert und genutzt werden, würden genau diese Tiere es in der Natur oft nicht schaffen zu überleben. Denn hier sollen richtigerweise die Starken und Gesunden den Fortbestand der eigenen Art sichern. 

Henry wäre aufgrund seiner Größe also eigentlich ein guter Zuchteber gewesen. Allerdings ist sein Schwänzchen verkrüppelt, was wiederum ein typisches Zeichen eines Minischweins ist. Anders als Hausschweine haben sie ein gerades, herunterhängendes Schwänzchen. So wie Wildschweine. Damit zeigen sie dann ähnlich wie Hunde ihre Stimmung. Henry´s Schwänzchen ist schlichtweg zu kurz. Er kann es kaum bewegen. Als Laie fällt es einem kaum auf, aber dieser Makel hat Henry eben auch zu einem Zuchteber der "2. Wahl" gemacht. Zudem schwächelte er sowieso schon. Züchter, oder sagen wir eher "Vermehrer", wollen zwar kleine Tiere, aber sie sollen dennoch robust und vor allem optisch "makellos" sein. Irgendwie muss man ja den Preis von bis zu 1000,-€ pro Schwein rechtfertigen. 

Ich vermute mal stark, dass die Zuchtsauen ähnlich wie in der Massentierhaltung ständig schwanger sind. Eine Sau trägt ca. 3 Monate, 3 Wochen und 3 Tage. Würde mich nicht wundern, wenn diese armen Gechöpfe mindestens 2-3 Schwangerschaften im Jahr erleben müssen, nur um dann nach 8 Wochen(immerhin!) ihre Ferkel weggenommen zu bekommen. Auf diese Art und Weise kann man sehr viel Geld mit diesen armen Tieren verdienen. 

Der Züchter machte dann noch einen lapidaren Spruch, so nach dem Motto Henry könne zwar kein Zuchteber mehr werden, aber er würde bestimmt ein gutes Spanferkel abgeben. Ich weiß nicht, ob es ein Witz war, aber es hat niemand gelacht. Und ich glaube spätestens da, haben wir beschlossen ihn bei uns aufzunehmen. Selbst wenn er von anderen Leuten gekauft worden wäre, besteht dann immernoch die Möglichkeit, dass am Ende ein Tierheim oder die Schlachtbank gewartet hätte. Auch Minischweine werden ab und zu geschlachtet. Habe in einschlägigen Foren gelesen, dass dies wohl aus dem Grund geschieht, um öfters frisches Fleisch zu haben. Da sie kleiner sind, muss man nicht so viel einfrieren. Abartig. 

Manchmal landen sie auch deshalb beim Schlachter, weil die Halter überfordert sind. Ein Schwein ist ein anspruchsvoller Mitbewohner. Sie müssen beschäftigt und erzogen werden und ab einem gewissen Alter versucht das Schwein evtl. in der Rangordnung aufzusteigen. Auf deutsch: Es kann zu Angriffen kommen, wenn man da nicht konsequent ist. Und mit konsequent meine ich natürlich keine Schläge, oder Ähnliches. Bisher hat Henry ein solches Verhalten noch nicht gezeigt. Ich habe allerdings schon von Schweinen gehört, die die Küche(als Quelle des Futters *g*) besetzen und ihre Menschen nicht mehr rein lassen. Selbst Lederhosen können vor schmerzhaften Schweinebissen kaum schützen. Viele Leute überlegen einfach nicht, bevor sie sich solche Tiere anschaffen und wenn es ihnen zu bunt wird, müssen sie eben weg. Sie lassen sich auf diese Art leichter "entsorgen" als Hunde. Dabei liegt der Fehler wie immer beim Menschen. 

Andere lassen ihre Schweinchen schlachten oder geben sie weg, weil sie ihnen schlicht und einfach zu groß sind und eben nicht mehr in die Handtasche passen. "Mini" ist ca. alles bis 100kg und man weiß nie, wie groß sie wirklich werden. Das hängt eben auch stark von der Fütterung ab. Daher gibt es Vermehrer, die den Käufern strenge Ernährungspläne mitgeben, um durch eine Mangelernährung eine Wachstumsstörung bei dem Schwein zu erzeugen. Dann bleiben sie vielleicht noch kleiner, aber sie sterben auch ganz sicher früher! Solche Qualzuchten sollte man direkt melden!

Wir haben uns das alles überlegt und wir wussten auch, dass es die ein oder andere anstrengende Phase geben würde. Gerade weil Henry als Einzelschwein zu uns gekommen ist. Ein Wort zur Einzelhaltung: Das ist ein sehr umstrittenes Thema. Schweine sind Rottentiere und sehr gesellig, das stimmt. Aber das sind Hunde auch. Und trotzdem regt sich niemand auf, wenn man nur einen Hund hat. Zumal Eber später sowieso Einzelgänger sind und nur die weiblichen Tiere in Rotten zusammenleben. Einen Gesetzgeber, der Schweine lediglich als Nahrungsmittel ansieht, kann ich bzgl. der Haltungsbedingungen nicht ernst nehmen. Die Schweine in der Mast werden höchstens 6 Monate alt, d.h. sie sterben im frühesten Entwicklungsstadium und zeigen bis dahin eben auch kaum geschlechtsspezifische Verhaltensweisen. Zudem ist das grausame System der Massentierhaltung, bei dem sehr viele Tiere auf engem Raum zum Teil in Dunkelheit dicht zusammengepfercht sind, wesentlich schlimmer. Beißereien und Kannibalismus sind nicht umsonst ein Problem bei diesen Haltungsbedigungen. Manche Leute machen einem dennoch einen Vorwurf, wenn man "nur" ein Schwein hat und sprechen zum Teil von Tierquälerei. Ich frage mich, ob solche Leute abends genüsslich in ihr Schnitzel beißen......

Wir beobachten Henry sehr aufmerksam. Außerdem kommt 2x im Jahr ein Ärzteteam zu uns und schaut ihn sich an. Und ich stehe mit einer Tierpsychologin in Kontakt, die ebenfalls ein Minischwein hat und uns mit wertvollen Tipps versorgt. Sollte er einsam wirken oder womöglich erste Anzeichen von Depressionen zeigen, könnte man immernoch entsprechende Maßnahmen einleiten und schauen, ob man ihn ggf. vergesellschaften kann. Ich kenne mittlerweile viele (männliche) Einzelschweine, z.T. schon 11 Jahre alt. Andererseits gibt auch Tiere, die einfach keine Lust auf Artgenossen haben und sich regelrecht genervt fühlen. "Zwangsvergesellschaftungen" können bei solchen Schweinen dann gefährlich werden. Mit der nötigen Zuwendung ist es also möglich auch ein sehr glückliches Einzelschwein zu haben. Wir sind 4 Personen und kümmern uns alle um ihn. Er ist nie allein. Das mag uns einschränken, aber ihm zuliebe tun wir es gern:) Wenn ihr allerdings die Möglichkeit habt, empfehle ich trotzdem  mindestens 2 Tiere aufzunehmen, denn so kann man sie auch mal allein lassen und man hat deutlich weniger Arbeit, da sie sich untereinander beschäftigen. Ein Einzelschwein ist wahnsinnig anhänglich und verfolgt Euch überall hin. Wenn man so wie wir eine offene Küche hat und diese dann leider auch noch eher klein ist, kann es mit einem Schwein darin ziemlich stressig werden *g*

Aber zurück zum Thema. Henry´s wunderschöne blauen Augen hatten uns längst in ihren Bann gezogen, also beschlossen wir ihn aufzunehmen. Innerhalb von 3 Wochen verwandelten wir unseren Garten in ein Schweineparadies, machten ihn "ausbruchssicher", beseitigten potenzielle Gefahrenquellen und legten eine große Suhle an. Im Haus mussten Steckdosen abgesichert und Kabelsalate "versteckt" werden. Als er dann hier war, stellten wir nach einigen Tagen fest, dass er gesundheitliche Probleme hatte und nicht richtig Kot absetzen konnte. Wie sich herausstellte hat der Vermehrer seine Tiere wohl nie oder nur sehr selten entwurmen lassen und so hat Henry schon mit der Muttermilch Wurmeier aufgenommen. Sein Magen-Darm-Trakt und sein Kot waren sehr verhärtet. Wir taten alles mögliche, doch leider ging es ihm immer schlechter. Bis er schließlich zusammenbrach. An diesem Tag bin ich auch ins Krankenhaus gekommen und obwohl ich eigene gesundheitliche Probleme hatte, machte ich mir natürlich wahnsinnige Sorgen.

Meine Familie brachte Henry dann schnellstmöglich nach Gießen in eine Klinik, die u.a. auch auf Schweine spezialisiert ist. Die Ärzte sagten, dass seine Überlebenschancen äußerst gering seien und fragten, ob wir ihn gleich einschläfern lassen wollen oder ob sie versuchen sollen zu operieren. Es war ein Freitagnachmittag und trotzdem war noch ein ganzes Ärzteteam verfügar. Meine Eltern zögerten nicht und sagten direkt, dass sie versuchen sollen zu operieren, auch wenn wir die OP womöglich "umsonst" bezahlen würden und er sterben sollte. Da lag dann eine Hand voll Schwein mit geöffnetem Bauchraum auf dem OP-Tisch und wurde stundenlang operiert. 

Zwei Tage vorher hatte er bereits eine Vollnarkose hinter sich, da er kastriert wurde. Und jetzt wurde der kleine Körper schon wieder so belastet. Die Ursache seines Zusammenbruchs war ein Darmverschluss, der wohl einerseits auf den Parasitenbefall und andererseits auf beginnende Mangelerscheinungen zurückzuführen war. Wenn Schweine einen Mineralstoffmangel haben, versuchen sie ihn auszugleichen, indem sie z.B. Sand fressen. Dadurch hat sich eine Art Stein gebildet, der seinen Darm verschloss. Das alles wäre nicht passiert, wenn sich der Züchter mehr um seine Tiere kümmern und sie ärztlich behandeln lassen würde. Aber wie immer steht nur das Geld verdienen im Vordergrund. Investieren in die Gesundheit der Tiere wollen nur die Wenigsten. 

Die Ärzte waren sehr überrascht, als Henry am nächsten Tag schon wieder Treppen stieg. Sie meinten er habe einen unglaublichen Überlebenswillen. Er erholte sich ziemlich schnell und konnte nach 3-4 Tagen wieder nachhause. Das waren also unsere ersten aufregenden Wochen mit ihm. Wir sind gespannt was wir noch alles mit ihm erleben werden. 

Auch jetzt als Veganerin kann ich nichts Schlechtes daran erkennen ein Tier zu haben. Ich finde, dass Freundschaften zwischen Menschen und Tieren auf Gegenseitigkeit beruhen können und eine Bereicherung für beide Seiten darstellen. Vorausgesetzt man bringt als Mensch das nötige Wissen, den Platz, die Zeit und die Geduld mit sich mit einem tierischen Mitbewohner zu beschäftigen. Was natürlich gar nicht geht sind Leute, die ihre Haustiere als Accessoire betrachten. Bevor man sich entschließt ein Tier bei sich aufzunehmen, sollte man allerdings erstmal in Tierheimen nachschauen. Da warten eine Menge lieber Tiere, die oftmals dankbarer als alle anderen sind. Wir haben unseren mittlerweile 16 Jahre alten Kater aus einem Tierheim und würden uns immer wieder dazu entscheinden dort erstmal zu suchen. Außerdem unterstützt man dann nicht solche skrupellosen Züchter, die ihre Tiere ebenfalls zum Teil wie eine Ware behandeln. 

Falls Ihr Fragen zum Thema Minischweine habt, meldet Euch. Ich weiß noch, wie es uns ging und wir wurden ja mehr oder weniger ins kalte Wasser geworfen:) Eine gute Vorbereitung ist wichtig, um das Zusammenleben mit Schweinen für beide Seiten so schön wie möglich zu gestalten. 







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