Freitag, 9. August 2013

Was braucht man, um ein Schwein bei sich aufzunehmen??!

Liebe BlogleserInnen,

hin und wieder werde ich von interessierten Menschen gefragt, welchen Arbeitsaufwand ein Schwein als Mitbewohner macht und wie das überhaupt alles so funktioniert. Dazu möchte ich Euch heute gern etwas erzählen:) Vorab: Es sollte immer gut überlegt sein, wenn man ein Tier bei sich aufnehmen möchte, aber ein Schwein ist in vielerlei Hinsicht anders als Hund oder Katze, weshalb man es sich doppelt oder am besten dreifach überlegen sollte. 

Generell gilt: Ein Schwein macht mehr Arbeit, als zwei oder drei. Hört sich komisch an, ist aber so. Wenn wir nicht wie die "Jungfrau zum Kinde" an Henry gekommen wären, würden wir uns im Nachhinein evtl. auch für eine Paarhaltung entscheiden. Warum? Weil ein Schwein in Einzelhaltung absolut fixiert auf seine Menschen ist und viel Beschäftigung und Aufmerksamkeit braucht, denn sonst wird es unglücklich, depressiv, womöglich aggressiv oder krank. Schweine sind sehr gesellig und wenn es die Aufmerksamkeit seiner Familie nicht bekommt, holt es sie sich. Wenn es sein muss auch durch Negativverhalten, wie z.B. in die Ecke pinkeln, Möbel anknabbern, anfängliche leichte Bisse, die sich steigern können, usw. Außerdem sollte ich Euch vielleicht nicht verheimlichen, dass ein Schwein in Einzelhaltung immer "mitten im Geschehen" sein will. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Henry uns überall hinfolgt(auch bis auf die Toilette:D). Da wir eine offene Küche haben, stört es natürlich manchmal, wenn er quer im Raum steht. 

Henry zeigt bisher keine Auffälligkeiten wegen der Einzelhaltung, da er bei uns ständig im Mittelpunkt steht und wir ihm versuchen sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten., ihn beschäftigen, etc. Wenn es unbedingt ein Einzelschwein sein muss: Entscheidet Euch für ein männliches Tier. Eber sind später ohnehin Einzelgänger, weshalb ihnen die Einzelhaltung weniger oder gar nichts ausmacht. Zudem sind sie verschmuster. Sauen sind vom Wesen her dominanter und leben in der Natur in Rotten. Eine Sau wird also evtl. ab und zu versuchen "Rottenführerin" zu werden. In solchen Phasen kann es zu Angriffen kommen. Anfangs mag es noch lustig aussehen, wenn das Schweinchen versucht euch z.B. umzustoßen. Aber das ist kein Spiel, sondern Ernst. Hinzu kommt, dass man einen Eber kastrieren kann. Die Sterilisation einer Sau gestaltet sich deutlich aufwendiger und teurer, da ja die Gebärmutter, usw. entfernt werden müssen. Dies ist aber notwendig, weil die Sau sonst alles 3 Wochen in die "Rausche" kommt. Das ist die Zeit, in der sie bereit ist begattet zu werden. Habe schon von Sauen gehört, die in diesen Phasen besonders mies gelaunt und unleidlich waren, weil kein Eber "verfügbar" ist. Sterilisation und Kastration sind natürlich nicht "artgerecht". Aber es ist notwendig, um ein Zusammenleben zu ermöglichen. Die Tiere sind ausgeglichener ohne dieses unerfüllte Bedürfnis. 

Ein Minischwein ist in der Haltung ein eher anspruchsvoller Mitbewohner. Leute, die allein leben oder wenig Zeit haben, sollten sich keinesfalls ein Schwein anschaffen. Notwendig ist außerdem ein Garten(mit ausbruchssicheren Zäunen). Reine Wohnungshaltung ist unmöglich, da das Tier dann verschiedene Triebe, wie z.B. den Wühltrieb nicht ausleben kann. Pro Schwein sollten 100qm Fläche zur Verfügung stehen(gerne auch mehr). Dieser Garten wird ihr Reich, da kann man als Mensch nichts "aberziehen". Sie werden wühlen, wühlen, wühlen. Wer also Wert auf einen gepflegten Garten legt, sollte davon absehen ein Schwein bei sich aufzunehmen;) 

Da wir gerade von Erziehung sprechen. Schweine sind wahnsinnig intelligent und merken sich die "Schwächen" ihrer Menschen. Sie wissen genau, was sie tun müssen, um ein Leckerli abzukassieren. Henry legt dann seinen Rüssel aufs Sofa und schaut uns mit einem echten Hundeblick an(siehe unten). Wer kann da schon widerstehen??!:D Schweine brauchen eine konsequente Erziehung. Sauber werden sie sehr leicht. Schweine pinkeln und kacken ohnehin nur an Stellen, die möglichst weit weg sind von ihrem Fress-und Schlafbereich. Sie haben draußen also meistens zwei Toilettenecken, eine für Urin und eine für Kot. Alles andere muss man ihnen beibringen. Wir nutzen dazu einen Clicker, um positives Verhalten zu bestärken. Als "Strafe" haben wir uns für die Wasserpistole entschieden:D Man sollte keinesfalls gewalttätig werden. Druck erzeugt bei Schweinen nur eines: Gegendruck. Sie bewegen sich dann keinen Meter mehr und werden höchstens aggressiv. Ein Ferkel, und möge es noch so jung sein, wird sich die Person, die ihm Gewalt antut, merken. Und irgendwann ist das Tier auf jeden Fall stärker, als man selbst. Um ein ausgewachsenens Minischwein zu Boden zu drücken, braucht es 5 erwachsene Männer. 

Gutes Stichwort: Thema Größe! Verabschiedet Euch von dem Gedanken ein Schwein zu  haben, das man wie einen Chihuahua in die Handtasche setzen kann. Ein gesundes Tier wiegt 40-70kg. In seltensten Fällen evtl. weniger. Rechtlich gesehen, ist sogar alles bis 100kg noch "mini". Nicht selten landen zu "groß gewordene" Tiere leider im Heim oder beim Schlachter. Und das bricht einem Schwein das Herz. Es hat sehr viel Vertrauen in seine Menschen und wird sie vermissen, wenn man es abschiebt. Die Verbindung zu einem Schwein sollte also unbedingt auf Dauer, also bis zum (natürlichen) Lebensende des Tieres, angelegt sein. Wenn all diese Voraussetzungen gegeben sind, hat man einen wundervollen Gefährten.

Vom Aufwand her ist es so: Wir sind 4 Erwachsene und es ist immer wer Zuhause. Man kann Henry allein lassen, allerdings bekommt er früher oder später Angst, weil nur wir ihm echte Sicherheit bieten. Daher vermeiden wir es ihn allein zu lassen. Auch deshalb, weil er mittlerweile in der Lage ist Stühle, Tische und Regale anzuheben und umzuwerfen:D Und genau das passiert, wenn wir ihn zu lange allein lassen. Wenn man sie paarweise hält, ist es hingegen kein Problem die Tiere auch mal allein Zuhause zu lassen(vorzugsweise evtl. in einem Gehege/Garten, da Schweine beim Spielen sonst die Wohnung verwüsten können:D). Vom Aufwand her ist ein Minischwein wegen seiner hohen Intelligenz durchaus vergleichbar mit einem Kleinkind. Man muss immer nach ihnen schauen, wenn man sie länger nicht gesehen hat. Im Zweifel räumen sie gerade einen Schrank aus oder haben irgendwo Futter entdeckt:D Außerdem gibt es auch Phasen, in denen sie wie Kleinkinder zahnen. Henry bekommt im Moment seine richtigen Zähne und hat daher oft Zahnschmerzen. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, was das heißt:D 

Oft werde ich auch noch gefragt, was Henry frisst. Schweine mögen "Omnivoren" sein, sie sind also theoretisch in der Lage Fleisch und sogar Knochen zu verdauen. Aber das sollte man ihnen keinesfalls füttern. Es ist sogar gesetzlich verboten, da sich die Tiere auf diese Art mit Seuchen anstecken können. In der Natur fressen sie zu 90% Pflanzen und so machen wir es mit Henry auch. Er bekommt Salatgurken, Salat, Radieschen, Äpfel, gekochte Kartoffeln(selten), Banane, Joghurt, Melone, Ananas, usw. Ab und zu frisst er auch Heu und Stroh(aber irgendwie mag er es nicht sonderlich). Ich muss dazu sagen, dass Henry ein kleiner Gourmet ist und Gurken z.B. nicht so gern frisst, wie Süßkram:D Außerdem mag er Abwechslung. Jeden Tag Salat, damit müsste ich ihm nicht kommen:D Und Möhren hasst er auch! Das Obst und Gemüse bekommt er frisch und nicht etwa halb verschimmelte Abfälle. Schweine sind keine lebenden Abfalltonnen und wenn man sein Tier liebt, wird man es nicht mit Küchenabfällen füttern. Absehen sollte man von Kohlsorten, die verursachen Koliken und können tödlich sein. Avocado, Zwiebelgewächse und Schokolade(die man bei klarem Verstand ohnehin nicht füttern würde) sind ebenfalls tabu, da sie auf jeden Fall tödlich sind. Zusätzlich zum Obst, sollte man schauen, ob der Mineralstoffbedarf gedeckt ist. Wir füttern daher eine geringe Menge Endmastfutter, stellen das aber jetzt um auf ein Minipig-Müsli in Kombination mit Mineralstoffzusatz. Schweine mit Mangelerscheinungen knabbern u.a. Wände und Steine an, weil wohl versch. Minderalstoffe in Steinen, usw. enthalten sind. Das ist gefährlich!

Von den Kosten her, ist der Anschaffungspreis das Teuerste. Züchter(Vermehrer) nehmen bis zu 1000,-€ für ein Ferkel. Absoluter Wahnsinn! Da ich solche Leute nicht unterstützen wollen würde, würde ich mich für ein Tier einsetzen, dass evtl. im Tierheim oder sonst irgendwo wartet. Denn die Endstation ist sonst der Schlachter. Es sei denn es hat Glück und landet auf einem Gnadenhof. Empfehlen kann ich euch die Klinik für Nutztiere in Gießen. Dort werden auch Ferkel abgegeben. Allerdings nur paarweise! Das Thema Tierarzt sollte man ohnehin bedenken: Habt ihr einen Arzt, der sich mit (Mini-)Schweinen auskennt? Ein normaler Tierarzt hat wenig bis keine Ahnung von Schweinen. Wir lassen bei Henry 2x/Jahr einen Checkup durchführen und die Ärzte kommen aus Gießen zu uns, da wir ihn mangels Transportkorb nicht mehr transportieren können. Arztkosten haben wir ca. 150-200,-/Jahr, wenn nichts dazwischen kommt.

Eine weitere Sache, die man nicht unterschätzen darf: Schweine hinterlassen Spuren. Sie sind zwar sauber, aber oft hängt eben Erde am Rüssel und die wird dann im Haus verteilt. Außerdem untersuchen sie alles mit ihrem Rüssel und der ist nass. Man sieht das und kann den Boden im Grunde täglich putzen. Was den ein oder anderen evtl. auch stören könnte: Sie haben ein Mal im Jahr einen Borstenkleidwechsel. Die Borsten fallen ihnen dann aus und liegen überall rum und bleiben in Teppichen hängen. Nur so als Warnung;) Ein Schwein + Flokatiteppich wäre also eine sehr dumme Idee. Bei Bodenbelägen sind Schweine ohnehin "wählerisch". Wir hatten einen wirklich wunderschönen Linoleum-Laminatimitat-Fußboden und Henry hat ihn Stück für Stück rausgerissen. Er steht irgendwie auf gummiartige Substanzen, wie Gummihandschuhe, usw. und kaut dann auf denen rum wie auf einem Kaugummi. Es war ärgerlich, aber gegen den Drang "unter den Fußboden schauen und wühlen zu wollen", konnten wir nichts machen(auch nicht mit diversen Wasserpistolen-Attacken). 

Wenn ihr also genug Platz, viel Geduld + Zeit habt und die ein oder andere Einschränkung hinnehmt(Stichwort Urlaub!), könntet ihr einem Schwein sicher ein wundervolles Leben bieten. Und es wird Euch viel zurückgeben, da sie wirklich ganz tolle, intelligente, aufgeweckte Tiere sind. Solltet ihr auch nur eine der eben genannten Voraussetzungen nicht mitbringen, seht bitte davon ab Euch ein Schwein anzuschaffen. Am Ende sind Mensch und Tier unglücklich!

P.S. Ihr müsst vorher auch eine kleine Bürokratenhürde nehmen. Schweine müssen beim örtlichen Veterinäramt angemeldet werden. Zudem muss man sie bei der HI-Tierdatenbank melden. Das kostet 5,-€/jährlich, aber muss unbedingt erledigt werden. Ansonsten muss man z.T. hohe Strafgelder zahlen!

Henry´s Dackelblick:) Zu süüüß!






1 Kommentare:

Sweet and other Spices hat gesagt…

Ich finde es einfach schön und wirklich beeindrucken, dass ihr ein Schwein zu Hause haltet. Das sind wirklich schlaue und liebe Tiere. Ich wünsche euch nur das Beste für die Zukunft. Ich habe den Artikel mit einem lächeln im Gesicht lesen müssen. Mein Hund heisst Henry und ist ein Mops. Vieles, wenn nicht alle Eigenschaften, was Du beschrieben hast passt auch auf meinen Hund :D

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